Effizienz neu gedacht

Flow als Schlüssel zu Operational Excellence

 

Dieser Artikel erschien im YOKOTEN Magazin Oktober 2024

Anstatt zu versuchen, Operational Excellence mittels eines anspruchsvollen Frameworks zu erreichen, hilft ein einfacher Hebel mehr, weil er alle Menschen durch die ganze Organisation einbinden kann: Der konsequente Fokus auf Flow.

Viele Unternehmen haben sich dem Konzept der Operational Excellence verschrieben. Doch was bedeutet es wirklich? Operational Excellence geht weit über die bloße Verbesserung von Prozessen hinaus. Es ist ein tief verwurzelter, ganzheitlicher Ansatz, der das gesamte Unternehmen umfasst. Dabei stehen nicht nur Effizienz, Produktivität und Qualität im Vordergrund, sondern auch die optimale Nutzung aller Ressourcen – von Technologien über Werkzeuge bis hin zu den Mitarbeitenden. Unternehmen, die Operational Excellence anstreben, zielen darauf ab, dass sämtliche Abläufe nicht nur gut, sondern außergewöhnlich reibungslos funktionieren – frei von Störungen und Engpässen. Es ist das Streben nach Spitzenleistungen, bei denen jeder Teil des Unternehmens perfekt ineinandergreift.

Flow-Bremser im Alltag

So wünschenswert dieses Ideal auch ist, der Alltag in Unternehmen sieht oft anders aus. Statt reibungsloser Abläufe erleben wir häufig, dass Projekte stagnieren, Entscheidungsprozesse sich hinziehen und die Mitarbeitenden frustriert sind. Der Grund? Es gibt eine Reihe von „Flow-Bremsern“, die verhindern, dass sich Operational Excellence im Unternehmen entfalten kann. Die schlimmsten Flow-Bremser sind:

       

      • Ständige Ablenkungen und Unterbrechungen

      • Vertagen und Aufschieben

      • Perfektionismus

      • Unklarheiten und Missverständnisse

      • Spannungen und Konflikte

      • Angst und Unsicherheit

      • Arbeit ohne Sinn

      • Überforderung durch zu viele Aufgaben

      • Unnötig wiederholte Arbeitsschritte

      • Schlecht funktionierende Werkzeuge

      • Das Phänomen „Firma spielen“

    1. Ständige Ablenkungen und Unterbrechungen

    Ein weit verbreiteter und unterschätzter Flow-Bremser sind ständige Ablenkungen. Die Arbeit wird immer wieder durch Anrufe, E-Mails, Meetings oder spontane Anfragen unterbrochen, sodass es schwerfällt, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren. Lärm und Benachrichtigungen auf digitalen Geräten tun ihr Übriges, um die Konzentration zu stören. In diesem Zustand ist es nahezu unmöglich, den sogenannten Flow zu erreichen – den Zustand, in dem wir völlig in unserer Aufgabe aufgehen und produktiv arbeiten.

    Ablenkungen und Unterbrechungen stören den Flow.

    2. Vertagen und Aufschieben

    Vertagen und Aufschieben von Entscheidungen sind ebenfalls große Störfaktoren. Oft resultieren sie aus Unsicherheit oder der Angst, Fehler zu machen. Doch Entscheidungen, die nicht rechtzeitig getroffen werden, führen zu Verzögerungen im gesamten Prozess.

    3. Perfektionismus

    Der Drang nach Perfektion ist eine weitere häufige Ursache für Verzögerungen. Menschen neigen dazu, Aufgaben immer wieder zu überarbeiten, bis sie perfekt erscheinen. Doch dieser Perfektionismus kostet wertvolle Zeit und Energie. Die Erfahrung zeigt, dass die letzten 20% Perfektion oft viermal so viel Zeit in Anspruch nehmen wie die ersten 80%.

    4. Unklarheiten und Missverständnisse

    Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil jedes Arbeitsprozesses. Unklarheiten und Missverständnisse führen zu erheblichen Verzögerungen, insbesondere wenn diese nicht zeitnah geklärt werden. Immer wieder kommt es vor, dass Aufgaben doppelt erledigt werden oder in die falsche Richtung laufen, weil grundlegende Fragen nicht geklärt wurden. Oft fehlt es in Teams an sinnvoller und regelmässiger Synchronisation, die alle Perspektiven einbezieht.

    Unsynchronisierte Teams gehen von falschen Annahmen aus.

    5. Spannungen und Konflikte

    Spannungen und Konflikte im Team sind weitere Hindernisse auf dem Weg zur Operational Excellence. Unausgesprochene Spannungen führen zu einer vergifteten Arbeitsatmosphäre, die die Zusammenarbeit und damit den Flow blockiert. Feedback wird oft in toxischer Form abgegeben, die es allen Beteiligten schwierig macht, wieder in den Flow zu finden. Ein Beispiel ist das «Feedback-Sandwich», das eine Kritik zwischen zwei positive Aussagen packt.

    Das toxische Feedback-Sandwich

    6. Angst und Unsicherheit

    Angst, Fehler zu machen oder Entscheidungen zu treffen, lähmt viele Mitarbeitende und verhindert, dass sie ihr volles Potenzial entfalten. Diese Angst kann dazu führen, dass Aufgaben nicht erledigt oder wichtige Fragen nicht angesprochen werden, was den Prozess erheblich verlangsamt.

    7. Arbeit ohne Sinn

    Ein weiterer häufiger Flow-Killer ist der Mangel an Sinn. Mitarbeitende, die den Zweck ihrer Arbeit nicht erkennen, verlieren schnell die Motivation und können keinen Flow entwickeln. Besonders in Unternehmen, in denen viele Routinetätigkeiten anfallen, ist es wichtig, den Mitarbeitenden immer wieder den größeren Kontext und die Bedeutung ihrer Arbeit zu vermitteln.

    8. Überforderung und zu viele Aufgaben

    Multitasking ist ein Mythos. Wenn wir zu viele Aufgaben gleichzeitig erledigen müssen, sinkt die Qualität unserer Arbeit und wir geraten schnell in eine Überforderung. Die Folge ist, dass wir keine Aufgabe wirklich abschließen und im schlimmsten Fall völlig blockiert sind.

    Zu viele priorisierte Aufgaben erwürgen das Team

    Zu viele priorisierte Aufgaben erwürgen das Team

    9. Unnötig wiederholte Arbeitsschritte

    Es gibt Aufgaben, die wiederholt werden müssen, weil sie beim ersten Mal nicht gründlich genug durchdacht wurden. Dies ist nicht nur frustrierend, sondern kostet auch wertvolle Zeit und Energie. Der Flow wird unterbrochen, und es fällt schwer, wieder in einen produktiven Arbeitsrhythmus zu finden.

    10. Schlecht funktionierende Werkzeuge

    Effiziente Werkzeuge sind das Rückgrat eines jeden erfolgreichen Unternehmens. Wenn die Technik nicht reibungslos funktioniert, werden Mitarbeitende ausgebremst. Ähnlich wie bei einem Handwerker, der mit stumpfen Werkzeugen arbeitet, kann kein Mitarbeiter seine volle Leistungsfähigkeit entfalten, wenn die Tools nicht funktionieren.

    11. Firma spielen

    Eine der gefährlichsten Flow-Bremsen ist das «Firma spielen». Hierunter versteht man Tätigkeiten, die vor allem dazu dienen, den Anschein von Professionalität zu wahren, ohne jedoch Flow zu schaffen. Es sind die gut klingenden, aber oft sinnlosen Tätigkeiten, die den Arbeitsfluss behindern, wie endlose Meetings, lange Entscheidungswege oder übermäßig formale Prozesse.

    Der wahre Schlüssel zu Operational Excellence: Flow

    In vielen Ansätzen zur Operational Excellence liegt der Fokus auf verschiedenen Bereichen wie Prozessoptimierung, Qualitätssicherung, Lean Management oder dem Einsatz von Technologien. Doch in der Praxis zeigt sich, dass es kaum möglich ist, alle diese Aspekte gleichzeitig zu jonglieren. Ein sinnvollerer Ansatz ist es, sich radikal aufs Wesentliche zu konzentrieren und den Flow ins Zentrum der Bemühungen zu stellen.

    Flow bedeutet, dass Arbeit reibungslos erledigt wird, dass Mitarbeitende herausgefordert, aber nicht überfordert sind, und dass jede Person ihren eigenen besten Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten kann. Wenn das gesamte Team im Flow ist, wird nicht nur die Produktivität gesteigert, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.

    Werkzeuge für mehr Flow im Team

    Um Flow zu erreichen, können Teams und Einzelpersonen auf eine Reihe von einfachen, aber effektiven Werkzeugen zurückgreifen:

    1. Die Flow-Frage: Frage dich – am besten täglich –, wie du mehr Flow in deine Arbeit bringen kannst.

    2. Schreiben & Zuhören: Stelle sicher, dass alle Perspektiven im Team gehört und berücksichtigt werden.

    3. Flow-Entscheiden: Treffe Entscheidungen so, dass keine Verlierer entstehen und alle Standpunkte einbezogen werden.

    4. Flow-Steuerung (Kanban): Halte das Team über den Status von Aufgaben auf dem Laufenden und setze gemeinsam klare Prioritäten.

    5. Get-it-done-Session: Erledige Aufgaben im Team gemeinsam, statt in Meetings nur darüber zu sprechen.

    6. Meine Betriebsanleitung: Finde heraus, was du und deine Teammitglieder benötigen, um im Flow zu sein.

    7. Team-Agreement: Vereinbare als Team, welche Maßnahmen ihr ergreifen wollt, um den Flow innerhalb des Teams zu fördern.

    8. Spannungen ansprechen: Sprecht Spannungen umgehend an und löst sie, bevor sie zu Konflikten werden. Spannungen ansprechen ist wie Zähne putzen.

    9. Flow-Feedback: Gebt einander Feedback, das den Flow fördert und das Wachstum unterstützt.10. Flow-Teamsitzung: Gestaltet Meetings so, dass sie allen Beteiligten Klarheit bringen und den Flow fördern.

    Flow: Der Hebel für Operational Excellence

    Indem Unternehmen den Fokus auf den Flow legen, lösen sie viele der typischen Probleme im Arbeitsalltag ganz automatisch. Der Flow bringt alle Beteiligten in Bewegung, fördert Effizienz und macht die Arbeit nicht nur produktiver, sondern auch erfüllender. So entsteht Operational Excellence nicht durch Druck, sondern durch eine Arbeitsweise, die sich auf das Wesentliche konzentriert und den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

    Flow ist der Schlüssel, um Operational Excellence zu erreichen – für das Unternehmen, die Teams und jede*n Einzelne*n.

    Flow ist also ein Thema, das allen nützt: 

    Fokus auf Flow nützt dem dem Controller, der auf Effizienz und Produktivität aus ist, genau so wie der Projektleiterin, die es liebt, wenn die Dinge voranschreiten. Der Führungskraft, die sich für die Entwicklung ihres Teams interessiert, genau so wie der Praktikantin, die merkt, dass ihr Wissen und ihr Aussenblick geschätzt werden. 

    Fokus auf Flow nützt der Perfektionistin, die bisher davon ausging, dass »eine gute Arbeit machen« immer bedeutet, 100% Qualität zu erreichen, und die beim Satz »mach nur 80% der Qualität« hörte »mach deine Arbeit nur halbgut, sonst kommen wir nicht vorwärts«, dieser Perfektionistin wird schlagartig klar, dass gute Arbeit erledigen »zum Flow beitragen« bedeutet und dass sie tatsächlich mehr zum Flow beitragen kann, wenn die Dinge »good enough« oder 80% sind und sie das nächste anpacken kann.

    Und der Mitarbeiter, der nächstes Jahr in den Ruhestand geht, kann plötzlich die 22jährige Kollegin aus der Generation Z verstehen, wenn diese davon spricht, dass ihr Arbeit Spass machen muss. Und der Manager, der nie verstand, warum man Konflikte aktiv angehen soll, sieht nun den Sinn darin, bedürfnisorientierte Sprache zu lernen und Spannungen so früh wie möglich mit dem Team zu lösen, weil sonst der Flow gebremst wird. 

    Mehr Details und praktische Anleitungen zu den Flow-Werkzeugen, dem Konzept von Flow in der Zusammenarbeit und ein Fall-Beispiel einer Transformation einer ganzen Unternehmung dank Fokus auf Flow gibt es im Buch «Zusammenarbeit im Flow» (Gabal-Verlag)

     

     

    Laurent Burst und Nadja Schnetzler gehen seit 30 Jahren der Frage nach, wie Menschen am besten zusammenarbeiten können. Gemeinsam haben sie schon vielen Firmen, Organisationen, Projekten und Start-ups auf der ganzen Welt zum Erfolg verholfen. In über 500 Projekten mit mehr als 10.000 Menschen aus allen Branchen haben sie das Flow-Zusammenarbeitsmodell entwickelt und in unzähligen Organisationen als transformierendes Element eingesetzt.

    Laurent Burst und Nadja Schnetzler. Bild: Ella Mettler 

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